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Performter Historismus.

Historische Persönlichkeiten, Ereignisse und Epochen nachzustellen war beliebt im Europa des 19. Jahrhunderts. Lebende Bilder reproduzierten historische Kunstwerke oder Historiengemälde, Statuen oder historische Ereignisse. In historischen Festzügen mimten Laiendarsteller ihre Vorfahren. Auf Künstlerfesten vergnügten sich die Gäste in historischen Kostümen. Ein dem Realismus verschriebenes historistisches Theater brachte akkurat recherchierte Kostüme und Kulissen auf die Bühne. Gegen Ende des Jahrhunderts versuchten die Vorreiter der experimentellen Archäologie, über Nachstellungen historisches Wissen zu generieren. In anderen Worten: das, was wir heute Re-enactment nennen, hat seine Wurzeln im 19. Jahrhundert. Ziel dieses Projekts ist es zu analysieren, wie und warum sich zwischen ca. 1780 und 1900 Kriterien und Praktiken für solche Reinszenierungen der Vergangenheit entwickelten. Das Projekt versteht sich dabei als Beitrag zu einer bisher vernachlässigten Historisierung der public history und des kulturellen Gedächtnisses. Das Projekt geht von drei ineinander übergehenden Phasen aus in denen sich Re-enactments langsam von einem Medium der Unterhaltung (ca. 1780-1840er), über eine Methode der Bildung (ca. 1840-1870) zu einer Praxis entwickelten, die auch für Forschungszwecke eingesetzt wurde (ab 1890). Re-enactments waren dabei, so die leitende These des Projekts, seit der Jahrhundertwende zum 19. Jahrhundert eine kulturelle Praxis, um grundlegende gesellschaftliche Veränderungen zu verarbeiten. Sie waren eine Reaktion auf: ein durch die Aufklärung und die Französische Revolution zerrüttetes Zeitverständnis (erste Phase), das revolutionäre Zeitalter (zweite Phase) und die beginnende Hochmoderne (dritte Phase). Acht Beispiele aus diesen Phasen sollen in der Studie mikrogeschichtlich untersucht werden: Lady Hamiltons Attitüden und die Hoffeste des preußischen Hofes bis in die 1840er Jahre, die Künstlerfeste der Künstlervereine Allotria in München und des Malkastens in Düsseldorf, die historischen Umzüge welche zur Silberhochzeit des österreichischen Kaiserpaares 1879 und zur Fertigstellung des Kölner Domes 1880 organisiert wurden, die Aufführungen von Historiendramen des Meininger Hoftheaters, sowie die Fahrt des nachgebauten Vikingerschiffes Viking von Norwegen zur Weltausstellung nach Chicago 1893. Durch die Analyse dieser Beispiele soll der, in Studien zu Re-enactments häufig postulierten, These, dass diese ein Phänomen der Postmoderne seien widersprochen werden. Stattdessen wird dieses Projekt zeigen, dass heutige Re-enactments ihren Ursprung in sich über das 19. Jahrhundert etablierenden Praktiken der authentifizierenden, immersiven und performativen Darstellung der Vergangenheit haben. 

 

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