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Aktuelles Forschungsprojekt:

Die Erfindung des moralischen Konsumenten. Globale Produkte und zivilgesellschaftliches Engagement in Großbritannien und der Bundesrepublik, 1960-1990 (Habilitationsprojekt)

Ob Jutebeutel aus Bangladesch, Kaffeebohnen aus Nicaragua oder der ohne Einsatz von FCKW hergestellte Kühlschrank: die Vorstellung, dass der Kauf bestimmter Produkte – und der bewusste Boykott anderer – eine Entscheidung von hoher ethischer Relevanz darstelle, gewann in den 1960er und 1970er Jahren mehr und mehr an subjektiver Plausibilität. NGOs wie Amnesty International, Greenpeace oder die Anti-Apartheid-Bewegung begannen in diesem Zeitraum, Alltagsgegenstände zu produzieren, deren Konsum Unterstützung für die eigenen politischen Ziele signalisieren sollte. Im „fairen Handel“ wurden global gehandelte Produkte auf ihre sozialen und ökologischen Kosten hin befragt. Nach kurzer Zeit begannen auch kommerzielle Firmen, den ökonomischen Mehrwert einer global-moralischen Markenbildung zu entdecken. Schon für die Zeitgenossen stellte sich die Frage, ob es sich dabei um eine „Moralisierung der Märkte“ oder eine „Kommodifizierung der Moral“ handelte.

Das Forschungsprojekt fragt nach den Verbindungen zwischen Formen des zivilgesellschaftlichen Engagements und der Entstehung neuer Konsumformen, die als Ausdruck einer auf globalgesellschaftliche Probleme gerichteten Strategie der „Moralisierung des Alltags“ interpretiert werden können. Dabei folgt die Arbeit der These, dass sich die genannten Phänomene in eine Ambivalenz zwischen Konsumkritik und Konsumstil einordnen lassen. Während auf diskursiver Ebene eine Kritik an der westlichen „Konsum- und Überflussgesellschaft“ als Ausgangspunkt des gesellschaftlichen Protestes fungierte, lässt sich auf praxeologischer Ebene eine sukzessive Überführung dieser Kritik in neue, als alternativ inszenierte Konsumpraktiken nachvollziehen.

Das Forschungsvorhaben untersucht diese Phänomene anhand von drei Fallbeispielen: 1.) der Bedeutung von Konsumpraktiken in Menschenrechtskampagnen der 1970er und 1980er Jahre, 2.) der Entwicklung des „fairen Handels“ vom Medium der Kritik globaler Handelsbeziehungen zu einem eigenständigen Markt- und Konsumsegment und 3.) dem Markt für „ökologische“ Produkte, auf dem sich Diskurse über globalökologische Krisenszenarien in ein breit gefächertes Konsumangebot übersetzten.

 

DFG-Netzwerk

Seit Januar 2019 leite ich ein von der DFG geförderte Wissenschaftliche Netzwerk zum Thema "Ökonomie und Moral". Siehe weitere Informationen hierzu auf der folgenden Seite:

DFG-Wissenschaftliches Netzwerk: Ökonomie und Moral: Normativität und Wirtschaftshandeln im langen 20. Jahrhundert.

 

 

Abgeschlossene Forschungsprojekte:

Erfahrungsbruch und Generationsbehauptung: Die ‚Kriegsjugendgeneration‘ in den beiden deutschen Nachkriegsgesellschaften (Dissertationsprojekt)

Die Arbeit setzt sich in generationengeschichtlicher Perspektive mit den Kriegserlebnissen jugendlicher Protagonisten während des Zweiten Weltkriegs und deren öffentlicher und privater Erinnerung in den beiden deutschen Nachkriegsgesellschaften auseinander. Zu diesem Zweck analysiert die Arbeit zeitgenössische Jugenddiskurse der ersten Nachkriegsjahre sowie Selbstzeugnisse jugendlicher Protagonisten, in denen sie die eigenen Kriegserlebnisse reflektierten und erinnerten.

Auf dieser Weise werden in der Arbeit zeitgenössische und historiographische Narrative hinterfragt, die diese Jahrgänge als gemeinsame Erfahrungsgeneration – etwa als „Flakhelfergeneration“, „Aufbaugeneration“ oder „45er“ – interpretiert haben. Im Gegensatz wird in der Arbeit argumentiert, dass der Krieg von den Zeitgenossen selbst nur äußerst selten als Gemeinschafts- oder Generationserfahrung wahrgenommen wurde. Meist begannen die Protagonisten erst in der Nachkriegszeit damit, die eigenen Erlebnisse in einen kollektiven Deutungsrahmen einzuordnen und auf diese Weise zu „generationalisieren“.

Um diese generationellen Inszenierungsstrategien der Nachkriegszeit zu analysieren, wertet die Arbeit die öffentlichen Jugend- und Generationendiskurse der 1940er und 1950er Jahre aus, sowie individuelle Selbstbeschreibungen jugendlicher Protagonisten, die in der Arbeit auf der Grundlage von Tagebüchern, Briefwechseln und anderen Selbstzeugnissen analysiert werden. Gerade im Vergleich der unterschiedlichen generationellen Narrative in der Bundesrepublik und der DDR lässt sich dabei erkennen, dass nicht das gemeinsame Erlebnis des Krieges als konstitutiv angenommen werden kann, sondern die jeweilige Verarbeitung der eigenen Erlebnisse in unterschiedlichen politischen, sozialen und medialen Kontexten.

Die untersuchten Jugendjahrgänge lassen sich daher nur eingeschränkt als eine gemeinsame Erfahrungsgeneration auffassen. Sie bilden aber schon seit den ersten Nachkriegsjahrzehnten eine gemeinsame Erinnerungsgemeinschaft, die für die Nachkriegsgeschichte beider deutscher Staaten eine wichtige gesellschaftliche Bedeutung besaß.

Die Arbeit ist 2014 im Wallstein-Verlag erschienen:
http://www.wallstein-verlag.de/9783835315815-benjamin-moeckel-erfahrungsbruch-und-generationsbehauptung.html