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Grandhotels in Berlin, London und New York, 1880-1930

Das Projekt behandelte als Habilitation an der Philosophischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen die Entstehung und Entwicklung des Grandhotels als Phänomen sozialer Ordnung und Imagination im Kontext von Urbanisierung und Transnationalisierung um 1900. Großstädtische Luxushotels waren in dieser Phase Schrittmacher und Prismen eines urbanen Modernitätsschubs. Die hier praktizierten und ausgeformten sozialen Stile waren maßgeblicher Bestandteil einer Umwidmung von Vergesellschaftungsformen im Übergang von der aristokratisch-bürgerlichen Doppelgesellschaft des 19. zur demokratischen Massengesellschaft des 20. Jahrhunderts.

Zunächst vor allem Kristallisationspunkte einer urbanen „High Society“ verkörperten Grandhotels den von dieser geprägten Luxus, in dem sich aristokratische Traditionen mit der Stilsuche großbürgerlicher Aufsteiger verbanden. Mit dem Aufstieg der Grandhotels zu selbstständigen Vergnügungsorten in der Citytopographie, zu Reisezielen und zu medialen Sehnsuchtsorten ging eine soziale Öffnung einher, die sie in den 1920er Jahren zu wichtigen Orten der großstädtischen Erlebniskultur werden ließ, auch wenn sich die Entwicklungspfade einer weiterhin boomenden Hotelkultur in New York gegenüber dem Ende der Grandhotelära in Berlin deutlicher trennten als zuvor.

An der Schnittstelle von Stadt-, Bürgertums- und Konsumgeschichte wurden Muster der sozialen Topographie, Kommunikationsprozesse und soziale Praktiken sowie Repräsentationen der auch mit dem Raum der Hotels neu entstehenden Oberschichten untersucht. Das Grandhotel wurde dabei als Projektionsfeld sozialer Phantasien, als Brennpunkt der Transformationsprozesse innerhalb der (städtischen) Oberschichten sowie als Katalysator der Modernisierung von Konsumformen in den Blick genommen.

Seine Doppelfunktion als luxuriöse Unterkunft und Ort einheimischer Festivitäten verweist auf die Verbindung von lokaler Bindung und translokaler Mobilität als Parallelphänomenen der modernen Massengesellschaft, in der sich das Großstadthotel als spezifisches Feld moderner Vergesellschaftungsformen etabliert. Unter Einbeziehung der innereuropäischen und transatlantischen Transferprozesse wird der Ausdifferenzierung von Konsumstilen als Medium der sozialen Differenzierung im Zeitalter der „Massengesellschaft“ besondere Aufmerksamkeit gewidmet.

In der Analyse des Wechselspiels von Raum, Praxis und Imagination soll jener Anteil näher bestimmt werden, den die Kultur der Grandhotels für den Übergang von sich endogen definierenden, aus der Binnenkultur ihrer Vergesellschaftung wertsetzenden Gruppen wie „Adeligen“ und „Bürgern“ zu einer im öffentlichen und medialen Raum gerahmten, kommerziell überformten und in ihren Verhaltensformen von außen gesteuerten Oberschicht zukam.

Förderer: DFG (2006/2007)